Im Lehrbuch von Poeck und Hacke findet sich das Krankheitsbild der Multiplen Sklerose in dem Abschnitt über Entzündungen des Nervensystems.
Die MS wurde in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts von dem großen französischen Neurologen Charcot beschrieben. Ihm war an einigen Patienten seiner Klinik aufgefallen, dass manche Patienten, wenn sie ihn seitwärts anblickten, einen Nystagmus bekamen. Wenn sie ihm die Hand reichten, zeigten sie einen Intentionstremor, und ihre Sprechweise legte auf jede Silbe eine „skandierende“ Betonung. Diese Symptomkombination wurde später als die Charcot-Trias bekannt.
Bei der Autopsie solcher Patienten fand man multiple gliöse Herde im ZNS, und die „Sclérose en Plaques“ wurde eine der am besten bekannten Nervenkrankheiten. Dennoch blieb ihre Ätiologie bis heute unbekannt. Es erfolgten verschiedene Behandlungsversuche, zum Beispiel die Quecksilberschmierkur, bei deren Anwendung die Fenster des Zimmers geschlossen werden mussten, damit die Quecksilberdämpfe nicht entweichen konnten. Die Pathogenese gilt in der Medizin als geklärt. Auf ihr beruht eine Reihe von Therapieverfahren.
Beim Studium der Epidemiologie fiel mir erstmals die Bedeutung des Wortes „multipel“ auf. Die MS gilt bei uns als die häufigste organische Krankheit des Nervensystems. Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Frauen erkranken doppelt so häufig an der schubartigen Verlaufsform wie Männer, aber gleich häufig an der chronisch progredienten Form. Die Verteilung der Erkrankung über den Erdball hinterlässt ein buntes Bild. Die MS gilt als eine Erkrankung der gemäßigten Klimazonen, aber auch dabei gibt es Ausnahmen. Eine bedeutende Beobachtung ist, dass Einwanderer, die ihr Geburtsland im frühen Kindesalter verlassen, das Erkrankungsrisiko ihres neuen Heimatlandes annehmen. Wechseln sie den Wohnort nach der Pubertät, nehmen sie das Risiko ihres Ursprungslandes mit. In der zweiten Generation verwischt sich dieser Unterschied. Die Ursachen dafür sind völlig unklar.
Zur Ätiologie ist soviel bekannt, dass es eine genetische Prädisposition geben muss, wobei mehrere Gene beteiligt sein können. Eineiige Zwillinge erkranken zu 25 %, zweieiige Zwillinge zu 3 %. Umwelteinflüsse im Sinne definierter exogener Faktoren ist bisher nicht eindeutig bestimmt worden.
Zur Pathophysiologie gibt es die Vorstellung, dass autoreaktive T-Lymphozyten, zum Beispiel durch einen Virusinfekt, in der Peripherie des Körpers aktiviert werden. Sie sollen an bestimmte Rezeptoren von Endothelzellen andocken, unter chemotaktischen Einflüssen die Blut-Hirnschranke überwinden und ins Nervengewebe eindringen. Hier soll es zu einer Vermehrung der T-Zellen kommen, die nach erneuter Aktivierung bestimmte Strukturen des ZNS irrtümlich als Antigene erkennen. Unter diesen Strukturen ist besonders das basische Myelinprotein zu nennen, eine Komponente des Myelins, aber auch andere Eiweiße des ZNS. Es kommt zur Freisetzung von Entzündungsstoffen, Zytokinen, die ihrerseits zelluläre Bestandteile des Immunsystems aktivieren, die Makrophagen. Ferner werden B-Zellen aktiviert. Das Zusammenwirken von T- und B-Zellen führt zu der entzündlichen Markscheidenschädigung, die neben der gliösen Vernarbung („Sklerose“) das Charakteristikum der MS ist.
Es folgt eine Entmarkung des ZNS, herdförmig mit Schädigung oder Auflösung der Markscheiden. Die Plaques bestehen aus entzündlichen Infiltraten mit Demyelinisierung, aus Lymphozyten und Monozyten. Bevorzugte Stellen der Plaques liegen an den Sehnerven, am Balken, im Hirnstamm in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Nervenkernen der Augenmuskelnerven, im Kleinhirn und den Kleinhirnstielen, der Pyramidenbahn und am Boden des IV. Ventrikels, seltener im Bereich der Hirnrinde, in den Basalganglien und im Rückenmarksgrau.
Der Verlauf ist bei 80 % der Erkrankten primär schubartig, bei 20 % primär chronisch progredient, die schubartigen Verläufe gehen in eine sekundäre Progredienz über. Die Lebenserwartung ist kaum verkürzt. Die Prognose ist besser als angenommen wird.
Die Patienten, die an Multipler Sklerose erkranken, entwickeln eine mannigfaltige Symptomatik mit Störungen einzelner oder mehrerer Hirnnerven, Empfindungs- und Koordinationsstörungen. Die Symptome können ganz wahllos miteinander auftreten, es gibt aber einige typische Kombinationen, die häufiger wiederkehren und die Diagnose wahrscheinlich machen:
- Gefühlsstörungen in den Händen und spastische Paraparese in den Beinen
- spastisch-ataktischer Gang mit Mißempfindungen und Blasenstörungen
- inkomplettes Querschnittssyndrom mit Nystagmus und skandierendem Sprechen
- rezidivierende, flüchtige Lähmungen wechselnder Augenmuskelnerven
Die Symptome sind oftmals von der Temperatur abhängig: Wärme führt zu einer Verschlechterung, Abkühlung zu einer Besserung der Symptome.
Zur Diagnostik gehört die Liquoruntersuchung mit dem für die MS typischen Befund, die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (VEP, AEP, SSEP) und die bildgebenden Verfahren: CCT und MRT.
Die Diagnose gilt klinisch als sicher, wenn wenigstens zwei Schübe aufgetreten sind, die sich auf Entzündungsverletzungen an verschiednen Orten im ZNS beziehen lassen, oder wenn solche Herde verschiedener Lokalisation über ein Jahr chronisch waren. Ein positiver Liquorbefund unterstützt die Diagnose.
Die Therapie beruht auf einer symptomatischen Behandlung, da die Ursache nicht bekannt ist, kann keine kausale Behandlung erfolgen.
Im akuten Schub sind Corticoide das Mittel der Wahl. Darüber hinaus gibt es Medikamente, die auf das Immunsystem wirken: Azathioprin und die Interferone. Zur symptomatischen Behandlung der Blasenstörungen und der Spastik werden entsprechende Medikamente eingesetzt.
Das Krankheitsbild aus anthroposophischer Sicht:
Volker Fintelmann (2002) hält die Multiple Sklerose im Gegensatz zu der offiziellen medizinischen Auffassung für eine primär sklerosierende, eine Sklerosekrankheit. Die Entzündungsvorgänge am Krankheitsort seien sekundärer oder reaktiver Natur. Der Organismus, der ja den ständigen (Selbst-) Heiler in sich trage, versuche dem übermäßigen Abbau, der Verhärtung und Degeneration des Nervengewebes durch den polaren Prozess der Entzündung entgegenzuwirken. Eine Sklerosekrankheit setze immer Kältung an dem Ort voraus, an welchem die Krankheit ansetze. Die Kältung träfe nun bei der Multiplen Sklerose das innere, in seiner Tätigkeit uns absolut unbewusste Nervensystem und dränge die aufbauend-ernährenden, vom Blut kommenden Kräfte ab, so dass sie wirkungslos würden. Die aufbauenden, wärmenden Kräfte des Nervensystems beträfen in erster Linie die Markscheiden. Durch deren Kränkung und langfristig Zerstörung könne der Zerfall des Nervengewebes nicht ausreichend aufgehalten werden, was sich zunächst in Funktionsstörungen, langdauernd in manifestem Ausfall zeige.
Die Kältung beträfe aber nicht nur die oftmals spürbar wahrzunehmende Kälte im Bereich der Extremitäten, der Nierenregion und der Wirbelsäule, sondern verschaffe sich am Nervensystem auch Ausdruck in der bei MS- Patienten zu findender Dominanz des (bewussten) Intellekts gegenüber dem unbewussten Seelenleben (Empfindung). Neben karmischen Ursachen gelten auch Schockerlebnisse aus der frühen Kindheit, aber auch aktuelle Erschütterungen der Emotionalität als Auslöser eines Entzündungsschubes. Ob es in deren Folge zu einer organisch manifestierenden Erkrankung komme, sei abhängig davon, ob „der Empfindungsleib durch die eigene Gesundheit und Kraft ausreichend Gegenwirkungen entfalten kann, die kränkenden Impulse aus dem Seelischen zurückzuweisen“. Bei der Multiplen Sklerose sei der Selbstheilungsversuch unzureichend, da ein Ungleichgewicht von Empfindungen (Emotionalität) einerseits und Intellektualität andererseits zuungunsten ersterer bestehe. Der primäre Impuls stamme aus dem Seelischen. Die darauf folgende Antwort aus dem Leiblichen (Empfindungsleib) entscheide darüber, ob daraus eine organisch latente oder manifeste Erkrankung werde. Innere und äußere Bedingungen, die das Kältungsprinzip im Seelischen unterstützten, seien die wesentlichen Ursachen für die Multiple Sklerose. Fintelmann schlägt eine Diätetik für den Leib, die Seele und den Geist als Behandlung vor, auch Pflegetherapien und das therapeutische Gespräch, die im Kern auf allen Ebenen den Aufbau und die Ernährung des Nervensystems unterstützten.
Unter Berücksichtigung der Entwicklung des Menschen entsteht die Frage, ob sich aus dem Zeitpunkt des Auftretens erster Krankheitszeichen eine Ergänzung aus anthroposophischer Sicht ableiten ließe?
65 % der Ersterkrankungen sollen zwischen dem 20. und 40. Jahr auftreten. Das entspricht im wesentlichem dem vierten und fünften Jahrsiebt.
Das Zeitraum vom 21. bis 42. Jahr wird der Seelenentwicklung zugeschrieben. Die bereits fertig gebildeten Leibesglieder werden neu gestaltet und von dem Persönlichen durchdrungen.
Im Bilden der Empfindungsseele im vierten Jahrsiebt berührt das ICH im Empfindungsleib (Astralleib) in neuer, freier Weise die Wahrnehmungswelt, die über die menschlichen Sinne vermittelt wird. Diese wird jetzt seelisch getönt. Das Charakteristikum der Empfindungsseele ist mit dem Worte Empfindlichkeit gut zu bezeichnen, auch mit dem lateinischen Begriff der Sensibilität oder besser Sensitivität. Der Mensch wird empfindlicher für die Welt.
Zu den Erstsymptomen einer Multiplen Sklerose zählen meist Sehnerventzündungen mit der Folge von zunächst meist reversibler Erblindung und das Auftreten von Mißempfindungen an Armen und/oder Beinen.
Diese Symptome veranlassen den Patienten über die Störung zu einer größeren Bewusstwerdung der Empfindungen. Das könnte als Anregung verstanden werden, zu einer stärkeren Wahrnehmung seiner selbst zu gelangen, eine Abkehr von den äußeren Dingen, von den intellektuellen Bewertungen und Hinwendung zu inneren Gegebenheiten. Gelingt es, diese Botschaft anzunehmen, finden wir bei den betroffenen Patienten eine günstigere Prognose hinsichtlich ihrer individuellen Entwicklung. Diese spiegelt sich auch im insgesamt günstigeren Krankheitsverlauf wider.
Nach dem 28. Lebensjahr etwa bis zum 35. Lebensjahr durchwandere das ICH in gegenläufiger zeitlicher Richtung den Lebensleib und bilde aus den dabei gemachten Erfahrungen in Zusammenwirken mit den vorgeburtlich gebildeten individuellen Modellen sein zweites Seelenglied aus: die Verstandes- und Gemütsseele (Fintelmann 1995,54).
Bei den Patienten, die in dieser Zeit an Multipler Sklerose erkranken, müsse wohl davon ausgegangen werden, daß „durch Deformierungen im Lebensleib Krankheitstendenzen auftreten, die Ausdruck des ICH - Bemühens sind, solche Deformierungen auszugleichen“ (Fintelmann, 1995,54). In Kenntnis dieser Abläufe könne es möglich sein, an tiefere Wurzeln der Multiplen Sklerose zu gelangen.
D.h. Biographie – Arbeit und Training der Emotionalität sind gesundheitsfördernd.
Gehirn und Rückenmark gehören zu den sogenannten Wunderorganen, welche von der anzestralen oder hereditären Energie über die Wundermeridiane energetisch versorgt werden. Die anzestrale Energie ist eine bei der Geburt gegebene Größe, die mit dem Älterwerden abnimmt. Gespeichert wird sie in der "Niere", unterhalten wird sie von der Jong-Energie (Nahrungsenergie) und in ihrer Verteidigung gegen die pathogenen Energien von der Abwehr- (Oe-) -Energie unterstützt. Es besteht also ein koordiniertes Zusammenspiel zwischen diesen 3 menschlichen Energien, denen die Aufgabe zukommt, den menschlichen Organismus gesund zu erhalten und ihn vor den pathogenen Energien, also den Krankheiten zu schützen.
Die anzestrale Energie wird in der Yang-Niere (Nebenniere) konserviert und nach Bedarf an die Wunderorgane abgegeben. Für eine einwandfreie Versorgung der Wunderorgane, also des Gehirns und des Rückenmarks ist eine gesunde energetische starke Yang-Niere eine Voraussetzung. Ein Wunderorgan erkrankt nur dann, wenn die Yang-Niere krank ist.
Am Anfang der Symptomatik stehen bei der Multiplen Sklerose meist Sensibilitätsstörungen in Armen und Beinen. Diese weisen zum einen auf eine Störung im Element „Erde“ mit der organischen Representanz der „Milz - Pi“, zum anderen auf eine energetische Störung im „Lenkergefäß“ hin, dem außerordentlichen Meridian, der dem Gehirn zugeordnet wird, und somit auf eine Schwäche der Yang-Niere (Nebenniere). Die Yang-Niere liefert aber auch die Energie an die Yin-Niere ("Wasser"-Niere) und an die Blase, in der die Abwehrenergie produziert wird. Diese dient der Abwehr pathogener kosmischer Energien. Eine Schwächung der Energiezufuhr zur Yin-Niere und zur Blase führt einerseits zum Harndrang, andererseits erfolgt eine Schwächung der Abwehrenergie mit einer daraus resultierenden Anfälligkeit des Körpers gegenüber pathogenen Einflüssen. Unter Berücksichtigung der psychischen Faktoren die dem Element Wasser zugeordnet werden, zeigt sich eine Schwächung in Unsicherheit und Haltungsverlust und damit verbundener Angst.
Entsprechend dem Gesetz der Produktion der Energie in den 5 Wandlungsphasen kommt es im weiteren Verlauf durch die verminderte Energiezufuhr zu einer Störung im Element "Holz". Zu diesem gehören als spezifische Gewebe Muskeln und Sehnen und als Sinnesorgan die Augen. Klinisch entwickeln sich Lähmungen, spastische Lähmungen und Sehstörungen. Anspannung und Entspannung wechseln nicht mehr harmonisch. Das dynamische Prinzip des Elementes "Holz" ist durch die Schwächung der Nierenenergie aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Entwicklung der Spastik scheint einen Versuch darzustellen, die verloren gegangene Stabilität zu kompensieren. Auch die auftretenden Koordinationsstörungen mit Ataxie und Nystagmus sind in Zusammenhang mit der gestörten Wandlungsphase "Holz" zu sehen.
Kluger (1985) schlägt vor, daß bei der Behandlung der MS nach allen energetischen Erkenntnissen der Akupunktur vorzugehen sei. Zuerst müsse die allgemeine essentielle Energie behandelt werden. Dazu sei zu versuchen, alle Schädigungen und Störungen zu beseitigen, die sich auf die Produktion der essentiellen Energie ungünstig auswirkten. Mit anderen Worten müssten die Organe Milz/Pankreas, Leber und Magen, die Hauptakteure bei der Produktion der essentiellen Energie, energetisch ausgeglichen werden. Weiter müsse an die Entsprechungen der einzelnen Organe in Bezug auf die einzelnen Gewebeschichten und Systeme gedacht werden: An die Niere mit der Beeinflussung des Zentralnervensystems und der anzestralen Energie; an die Leber mit ihrer Beeinflussung der Muskulatur; an die Milz und ihre Beeinflussung des Fleisches und der Subcutis. Mit Vorrang müssten diese drei Organe ausgeglichen Werden. An letzter Stelle komme dann die lokale Behandlung des Rückenmarkes.
Energetisch stärkend ist der Einsatz von entsprechenden stärkenden Kräutern.
Eigene Untersuchungen (1996) hatten die Bedeutung der Ohrakupunktur für die Behandlung der Multiplen Sklerose gezeigt. Die MS ist ja eine Yang – Nierenerkrankung und das Ohr gehört als Sinnesorgan zum Element "Wasser", dem die "Niere" zugeordnet wird, so daß sich daraus die Wahl dieses Behandlungsortes ergeben kann. Die Nadelung des Cortison- bzw. ACTH-Punktes Nr. 13 wirkt entzündungshemmend und antiallergisch. Die Auswahl der Akupunkturpunkte "Niere" (Areal 95), Areal 92 "Blase" und die Areale 96 bis 98 "Milz/Pankreas" und "Leber/Gallenblase" sowie "Thymus" nach Nogier ist hier sinnvoll. Bei Sehstörungen sind gezielt „Augenpunkte“ zu behandeln. Bei Empfindlichkeit auf Druck des Punkt-Such-Stiftes lassen sich weitere Punkte bzw. Areale gezielt behandeln: "Medulla spinalis" auf der Außenhelix, als Schmerzpunkt der Shenmen, Punkt 55.
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In unserer Ausbildung in der westlichen Medizin haben wir gelernt, daß nach Möglichkeit immer nur eine primäre Ursache (ein Trauma, ein Bakterium, ein Gift...) einer Erkrankung zugrunde liegt, um diese dann zu bekämpfen. Dabei mussten wir übersehen, daß die meisten Erkrankungen multifaktorieller Genese sind. Ja, daß vielleicht gerade die Vernachlässigung der Gesamtschau von multiplen Faktoren (wie Abwehrschwäche des Organismus, seelische
Konstellation...) dazu führt, daß akute Erkrankungen chronisch werden, das heißt, irreparable Störungen der Regulation hinterlassen.
Die eine Ursache der multiplen Sklerose wird es nicht geben. Wir müssen sicher von einer Vielzahl von auslösenden Faktoren ausgehen. Da ich im Bereich der sog. „Schulmedizin" keine befriedigende Behandlung anbieten kann, ist es erforderlich, nach komplementären Angeboten der umliegenden Fachdisziplinen Ausschau zu halten.
Dabei begegnen uns die unterschiedlichsten Ansätze:
Die Psychologen betonen etwa den autoaggressiven Charakter der Erkrankung oder gestörte Beziehungsmuster und suchen nach entsprechenden Konstellationen in der eventuell vorliegenden neurotischen Entwicklung, toxikologisch versierte Kollegen werden die Belastung des Nervensystems durch Schwermetalle in den Vordergrund stellen, eine klassische Homöopathin wird dem von ihr speziell gefundenen Konstitutionsmittel den Vorrang geben, ein Rutengänger spricht von der geopathischen Belastung des Schlaf- oder Arbeitsplatzes und so weiter. In der traditionellen chinesischen Medizin gehen wir von einer Disharmonie des Zusammenwirkens der Elemente „Erde" (also „Milz“) und "Holz" („Leber“) vor dem Hintergrund einer möglicherweise primären Nieren – Yang - Schwäche aus.
Wer hat nun recht, wer hat unrecht, oder besser gefragt, welcher Ansatz hilft welcher Patientin und welchem Patienten am ehesten?
Gehen wir von den Begriffen ‚multipel’ oder ‚disseminiert’ aus, so wird ein Ansatz mit einem möglichst offenen und weiten Wahrnehmungsfeld für alle Eventualitäten für den diagnostischen und therapeutischen Umgang mit MS – Patienten der wohl am meisten geeignete sein.
Es liegt nahe, hier einen naturheilkundlichen Ansatz zu wählen. Dieser bietet ein nach Möglichkeit ganzheitliches Krankheits- und Gesundheitsverständnis und vermeidet so die Enge des Blickes auf eine spezielle Symptomatik. Er vertraut auf die Selbstheilungskräfte eines jeden Organismus und hat das Ziel, diese in ihrer Regulation zu unterstützen, und vermeidet die Symptomunterdrückung.
Die Behandlung der Menschen, die an der Multiplen Sklerose leiden, erfordert ein multifaktorielles Vorgehen. Die Sichtweise, die Erkrankung als eine Chance für den eigenen Entwicklungsprozess zu sehen, ist eine Voraussetzung auf Seiten der Patienten, die sich aber durchaus auch erst unter der entsprechend verantwortlichen Behandlung ergeben kann. Auf der Seite der Behandler ist die Haltung der offenen, urteilsfreien Wahrnehmung hilfreich, den Patienten bei seiner Entwicklung zu begleiten.
Als diagnostische Hilfe bietet sich die Kinesiologie zur Untersuchung an, da sie, gezielt eingesetzt, rasch effektive Behandlungsaufträge an den Behandler liefert, die sich jederzeit überprüfen lassen.
Mir hat sich die Physioenergetik nach Raphael van Assche bewährt.
Der Armlängenreflex nach R. van Assche ist ein kinesiologischer Muskeltest mit hoher Aussagekraft.
Der Begriff „Physioenergetik“ ist aus dem griechischen Wort Physis (Natur, Körper, Wesen) und Energetik (die Lehre von der Energie) zusammengesetzt. Sie behandelt also den naturhaften Körper nach energetischen Gesichtspunkten. Sie baut auf einer nach Möglichkeit ganzheitlichen (holistischen) Denkweise auf, die Körper, Geist und Seele als Einheit begreifen will.
Die erste Zusammenfassung über diese Diagnose- und Behandlungstechnik verfasste Raphael van Assche in Spanien unter dem Titel „Kinesiologia holistica“. Im deutschen Sprachraum wurde die Methode als Physioenergetik, bzw. als holistische Kinesiologie bekannt.
Aufbauend auf ihrer ganzheitlichen Sichtweise arbeitet die Physioenergetik mit strukturellen, biochemischen, vaskulären, lymphatischen, nervalen und emotionalen Regulationsmechanismen des Körpers, sowohl in diagnostischer, als auch in therapeutischer Hinsicht.
Die Testmethoden sind einerseits die verschiedenen Muskeltests nach Goodheart, andererseits der Armlängenreflex (AR) nach R. van Assche – beides sind Biofeedbacksysteme des Körpers.
Raphael van Assche fand bei einer Patientin, die er osteopathisch untersuchte, daß sich die Muskulatur beider Körperhälften auf einen Stress hin ungleich anspannte. Daraus ergibt sich die scheinbare Differenz der Armlängen.
Finde ich eine Möglichkeit, diese Differenz auszugleichen, habe ich damit gleichzeitig den Behandlungsauftrag, um den Stress zu beseitigen, der mir die Armlängendifferenz gebracht hat.
Wir unterscheiden einige sogenannte Vortests, die zu Beginn am Patienten abgefragt werden, weil sie häufig auftretende Störungen der Regulation darstellen können. Dazu gehört das Überprüfen der Nackenrotation, die abhängig von der Innervation des m. sternocleidomastoideus und des m. trapezius Auskunft gibt über eventuell vorliegende Funktionsstörungen des N. accessorius und damit über Funktionsstörungen im kaudalen Ponsbereich. Oder das Überprüfen der Oculomotoren, die eine Störung im kranialen Ponsbereich, im oberen Hirnstamm oder im Kleinhirn angeben. Der Augenmotilitätstest ist in besonderer Weise geeignet, die für MS typischen Paresen der Augenmuskeln im Frühstadium zu erkennen und zu behandeln. Auch gibt es die Möglichkeit zu überprüfen, ob ein Patient überhaupt auf seien Lebensweg ist, und wenn dies nicht der Fall ist, ihn dorthin zurück zu bringen.
Die einzelnen Ebenen, nach denen getestet wird:
Wie bereits gesagt, arbeitet die Physioenergetik aufbauend auf ihrer ganzheitlichen Sichtweise mit den strukturellen, biochemischen, vaskulären, lymphatischen, nervalen und emotionalen Regulationsmechanismen des Körpers, sowohl in diagnostischer, als auch in therapeutischer Hinsicht.
Dazu testen wir die verschiedenen Ebenen durch. Wir bedienen uns dabei entsprechender Zeichen der Hände, sogenannter modes oder mudras. Die Arbeit mit diesen Zeichen erleichtert die Arbeit mental.
Diese Liste lässt erkennen, dass die Physioenergetik ein holistisches Vorgehen erlaubt. Sie ist daher für die Untersuchung der MS – Patienten besonders geeignet. Sie lässt sich entsprechend der Fähigkeiten und Neigungen des Therapeuten individuell ergänzen.
Die Ebenen im einzelnen:
Gibt uns der Patient zum Beispiel durch die Berührung eines Schmerzpunktes mit seiner Hand einen Armreflex, benötigen wir einige Zeit zur Durchführung des Testes. Andererseits ist diese Hand für den weiteren Testablauf besetzt. Dann hat es sich bewährt, die Reaktion „einzuspeichern“.
Wir bitten dabei den Patienten im Yang-Zustand die Augen geöffnet, im Yin-Zustand die Augen geschlossen zu halten. Dadurch ist es dem Organismus möglich, die Information eine längere Zeit zu halten, in der dann in Ruhe gearbeitet werden kann.
Der Armreflex kann beim Patienten bereits primär spontan positiv zu testen sein. Er zeigt uns dann bereits an, daß er in einem „gestressten“ Zustand ist, daß vielleicht sein Bericht über seine Beschwerden oder seine Gedanken an ein ihn belastendes Ereignis bereits diesen Armreflex ausgelöst hat.
Bevor ich mit dem Test beginne, frage ich immer, ob das Problem, daß ich vorgefunden, resp. "eingespeichert" habe, in diesem Moment der Untersuchung Priorität besitzt, d.h. ob es vorrangig behandelt werden soll, oder ob ein anderes Problem zuvor gelöst werden muß. Das erleichtert die Arbeit, macht sie zielsicherer und effektiver.
Auf der körperlichen Ebene reagieren MS-Patientinnen häufig, wenn zum Beispiel durch paresebedingte Haltungs- und Gangstörungen Verspannungen oder Distorsionen, meist unbemerkt, aufgetreten sind, sich aber auf den Bewegungsablauf hinderlich auswirken. Es handelt sich dabei dann nicht – wie von den Patienten mit Recht befürchtet - um neurogene Paresen oder spastische Zeichen, sondern um Störungen auf der Ebene der Motorik, die sich etwa osteopathisch günstig lösen lassen.
Leichte schlaffe Paresen einzelner Muskeln lassen sich über bestimmte Punkte, die Akupunkturpunkten entsprechen und entsprechend der Fünf-Elementenlehre der traditionellen chinesischen Medizin tonisierend wirken, stärken, eine Aufgabe, die ich gerne Familienangehörigen mitgebe.
Die Lösung von Verspannungen gelingt mit Hilfe der AORT nach R. van Assche. Dabei wird der betreffende Muskelbauch nach druckempfindlichen Punkten abgesucht, der entsprechende Punkt wird dann gehalten und Ansatz und Ursprung des Muskels zueinander bewegt und in eine Position gebracht, die den Schmerz beendet. Nach neunzig Sekunden kann der ehemalige Schmerzpunkt und die entsprechende Körperstellung vorsichtig gelöst werden.
Die chemische Ebene testet positiv, wenn eine Amalgam-Vergiftung oder eine Dysbiose des Darmes vorliegt und behandelt werden soll. Den Körper vom Amalgam zu entgiften, ist beim Krankheitsbild der Multiplen Sklerose nicht nur zur Stärkung der Immunabwehr sinnvoll, sondern unter Berücksichtigung der homöopathischen Arzneimittelbilder der Amalgam-Bestandteile zwingend erforderlich.
Die Arzneimittelbilder sind Ihnen sicher bekannt: Die Bedeutung des Mercurius für Entzündungsprozesse, Nierenschäden, Schlafstörungen, Tremor und Sprachstörungen, Stannum mit seinen Erschöpfungszuständen, der Muskelschwäche und den Neuralgien, Zincum mit Müdigkeit, Rastlosigkeit und Gedächtnisschwäche; die phobischen Ängste, die Inkontinenzproblematik und die Bewegungsstörungen von Argentum, die Muskelkrämpfe von Cuprum oder die Verhaltensstörungen von Palladium.
Getestet habe ich darüber hinaus auch Aluminium und Blei.
Sie kennen den Schwindel, die Gangunsicherheit und den dementativen Abbau von Alumina und die reichhaltige neurologische Symptomatik von Plumbum: Nervenschmerzen und -entzündungen, Krampfzustände, Verstimmungs- und Verwirrtheitszustände.
Bei einer Amalgam-Entgiftung über die Niere ist bei MS-Patienten aufgrund der zugrundeliegenden Yang-Nieren-Schwäche besonders darauf zu achten, daß die "Niere" stark ist, sonst kommt es leicht zu einer Verstärkung der Symptomatik, eventuell zu einer Verschiebung des Amalgams aus den Nerven in andere Gewebe. Dies gilt besonders bei weiter fortgeschrittenen Erkrankungen. Oft zeigt der Test dann an, daß zuvor weitere stärkende Maßnahmen der „Niere“ erforderlich sind. Es sei besonders darauf hingewiesen, daß der MS – Patient bei einer Schwermetallausleitung wie ein rohes Ei zu behandeln ist!
Bleiben wir noch einmal bei den homöopathischen Arzneibildern der relevanten Schwermetalle:
Antonie Peppler beschreibt (1998) die aktuelle Lebenssituation eines Mercurius – Patienten:
Selbstwert und Eigenstruktur sind noch nicht entwickelt. Ein äußerer fester Rahmen wird zur Existenz benötigt, äußere, von anderen kommende Struktur wird als Ersatz für die fehlende eigene Struktur angenommen. Individualisierung findet kaum statt, da die Pflichten und Sicherheiten der angenommenen äußeren Struktur nicht so leicht aufgegeben werden. Das Image einer Gruppe oder das Selbstwertgefühl eines anderen ist die Sicherheitsgrundlage.
Die Botschaft des Mittels sei: Gestalte deine eigene Lebensstruktur!
Im Zusammenhang mit der chemischen Ebene ließen sich alle Mangelzustände auffinden, die durch entsprechende Substanzen zu ersetzen wären. Damit könnten auch gezielt Diätempfehlungen ausgesprochen werden. Auch der Hinweis auf eine zu behandelnde Dysbiose des Darmes testet gelegentlich auf dieser Ebene.
Auf der psychischen Ebene teste ich oftmals Bach-Blütenmischungen. Nur ganz selten finde ich bei MS-Patienten den tiefen Wunsch und die innere Motivation zu einer analytischen Psychotherapie. Viel häufiger scheint es notwendig, seelische Traumata und unerlöste seelische Konflikte psychokinesiologisch mit Techniken nach Dr. Klinghardt zu lösen.
So klagte eine Patientin Anfang 40 über Mißempfindungen, die von der rechten Hüfte in das Bein ausstrahlten und zeitweise von einem Schwächegefühl und Gangstörungen begleitet waren.
Der Test machte eine wiederholte, nicht genügend verarbeitete Abtreibungsproblematik deutlich, die der Patientin zum Zeitpunkt der Untersuchung zunächst nicht bewußt war. Es gelang mit dem Einverständnis der Betroffenen, den Konflikt bewußt zu machen und die dadurch bedingte Blockierung zu lösen. Es waren zwar noch weitere therapeutische Schritte erforderlich, aber die Zunahme der Gangsicherheit war deutlich zu erkennen.
Auf dieser Ebene teste ich auch den Auftrag zur Behandlung von Nahrungsmittelunverträglichkeit mit Psychokinesiologie nach Dr. Klinghardt. Es ist auffällig, wieviele MS – Patienten in der Kindheit an Neurodermitis litten und noch in späteren Lebensjahren an Restsymptomen der Neurodermitis leiden.
Auf der informativen Ebene teste ich die Indikation zur Durchführung einer Ohr-Akupunktur. Dabei ergibt sich ebenfalls häufig das Grundmuster Punkt 13, 95 und "Thymus" am linken Ohr und weitere zusätzliche Punkte, etwa im Bereich der Helix oder der vegetativen Rinne bei Empfindungsstörungen oder der Augenpunkte bei Sehstörungen.
Im Bereich der Körperakupunktur ist eine Tonisierung des Nieren- oder des Milzmeridians oder eine Sedierung des Lebermeridians (z.B. bei spastischer Lähmung) indiziert.
Auch leichtere Schmerzsyndrome, wie Brachialgien bei Cervikalsyndrom, Intercostalneuralgien oder Trigeminusneuralgien testen häufig über "Information, Ohr-Akupunktur", wenn sie nicht körperlich behandelt werden sollen.
Auffällig ist die Bedeutung geopathischer Störungen, die den Armreflex auf der Ebene „Info“ ausgleichen. Mit einem Rutengänger fanden wir, dass die MS – Patienten, die für einen Schlafplatz gesorgt haben, der frei von geopathischen und/oder elekromagnetischen Belastungen war, eine wesentlich günstigere Prognose zu haben schienen.
Gegen Abschluss einer Behandlung finde ich oftmals eine energetische Störung im Subtilkörperbereich:
Der Subtilkörper ist das energetische Umfeld des Menschen, sein "elektromagnetisches Feld", seine Ausstrahlung, seine Aura.
Aura-Verschiebungen zeigen sich in Verbindung mit Halbseitensymptomatik, aber auch bei Doppelbildern durch Augenmuskelparesen oder bei Paresen einzelner Extremitäten.
Bei zunehmenden Leere-Zeichen mit allgemeiner Schwäche, Antriebsverlust, depressiver Verstimmung, Kältegefühl und gesteigerter Infektanfälligkeit der Patienten ist oftmals ein Ausgleich über die Lemniscate angezeigt. Dabei zeichnet der Behandler im Energiefeld des Patienten eine liegende Acht, meist quer verlaufend und nach unten gerichtet, wie zur Entlastung der Schulter-Nacken-Region oder quasi zur Erdung der Patientin oder zur Verbindung der beiden Hirnhälften. Die Richtung, in der die Lemniskate nachzuzeichnen ist, wird physioenergetisch getestet. Meist schließt sich eine Chakren-Behandlung an.
Bei MS-Patienten ist oftmals ein Ausgleich des Bauch- über das Stirnchakra erforderlich. Bei einer Patientin mit einer Stimm- und Aussprachestörung testete ich die Notwendigkeit, das Kehlkopfchakra mit dem Kronenchakra auszugleichen (Sie war übrigens anschließend wieder in der Lage, zu singen und in einem Konzert aufzutreten). Bei ungenügender Erdung, die sich in Gang- und Gleichgewichtsstörungen äußern kann, ist es manchmal erforderlich das Kronenchakra zu schließen. Wenn nur einzelne Chakren positiv testen, gebe ich die dem Chakra entsprechende Farbbrille nach der psychokinesiologischen Zuordnung von Dr. Klinghardt.
Bei MS-Patienten mit Gleichgewichtsstörungen lassen sich auch sog. Löcher in der Aura über der Leber testen. Bei der Patientin mit der ungenügend verarbeiteten Abtreibungsproblematik zeigte sich zusätzlich ein Loch über der rechten Hüfte.
Für die Durchführung der physioenergetischen Testung ergeben sich zwei unterschiedliche Ausgangslagen.
Hat der Patient eine Störung mitgeteilt und hat diese Störung für die Behandlung Priorität, dann erfolgt die Testung in der oben angegebenen Reihenfolge. Es ist aber auch möglich, dass der Patient keine aktuellen Störungen, Beschwerden oder Themen zur Untersuchung mitbringt und der Vortest eine ausgezeichnete Regulationsfähigkeit ergibt. Dann biete ich dem Patienten Stressoren an, zum Beispiel Schwermetalle, die bisher möglicherweise nicht Thema waren, oder ich frage nach Belastungen durch neurotrope Viren oder Parasiten und nach Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Ferner ist es möglich, dass der Patient immer wieder die gleiche Störung angibt: eine Blasenentleerungsstörung oder ein Taubheitsempfinden im Oberschenkel, die keine oder nur kurz anhaltende Veränderungen unter der jeweiligen Behandlung zeigen. Es wäre dann von einem irreparablen Schaden auszugehen. Wir können diese Störungen auch als permanenten Schlüssel zur Behandlung ansehen. Die Behandlungen lassen immer wieder den Einstieg über gerade dieses Symptom zu.
Wir gehen davon aus, dass der Mensch als offenes System über Regulationsmöglichkeiten verfügt, die es ihm ermöglichen, seine Arbeit zu vollbringen. In diesem offenen System existieren Untersysteme, in denen es in gleicher Weise erforderlich ist, dass bestimmte Gleichgewichte aufrechterhalten werden. Das bewirken die von uns so genannten Selbstheilungskräfte. Da es sich aber überwiegend um offene Systeme handelt, wird es immer wieder zu Störungen der Gleichgewichte kommen, die es auszugleichen gilt. Dieser ständige Ausgleich ist uns überwiegend nicht bewußt. Viele Störungen vermag der Organismus ohne unsere bewusste Wahrnehmung zu regeln. Sind die Selbstheilungskräfte allerdings überfordert oder ist die Störung so groß, daß die zur Verfügung stehenden Kräfte nicht ausreichen, so meldet das System ein Notsignal. Die Zeit, welche bis zur Bewusstmachung des Notzustandes vergeht, gilt als Latenz, die beim Gesundungsprozess zu berücksichtigen sein wird. Das Notsignal kann sich in Unwohlsein äußern, muss sich allerdings verstärkt bemerkbar machen, wenn wir dieses nicht wahrnehmen. Daraus entstehen dann zunächst latent funktionelle Störungen, die sich bis zu irreparablen Läsionen steigern können.
Zusammenfassend stellt das Symptom ein Signal dar, welches die Mitteilung enthält, dass das Regulationssystem der Hilfe bedarf. Das Signal kann einen Hinweis auf die Störung geben. Oftmals zeigt aber nur das in der Regulation schwächste Organ die Störung des gesamten Regulationssystems an (Das Sodbrennen ist nicht (nur) ein Hilfeschrei des Magens, sondern zeigt eine Übersäuerung des gesamten Systems an).
In der Medizin ist es üblich, immer wiederkehrende Kombinationen von Symptomen als Krankheiten zusammenzufassen und zu benennen. Bei der Vielfalt der Symptome, die bei der MS auftreten können, mit ihren unterschiedlichen Gewichtungen – auch im Kernspintomogramm - scheint es zweifelhaft, von einer einzigen Krankheit zu sprechen. Sie stützt sich technisch neben dem Untersuchungsbefund, der vieldeutig bleibt, auf technische Hilfsmittel: Liquoruntersuchung, Nervenleitgeschwindigkeitsmessung, bildgebende Verfahren und den Verlauf (siehe oben). Aber auch der Verlauf ist unterschiedlich. So werden technische Voraussetzungen geschaffen, die dann zur Diagnose führen. Bei der Vielzahl der Symptome, der Ausprägung und Kombination der Symptome, der verschiedenen Verläufe und der unterschiedlichen Krankheitsentwicklungen darf die einheitliche Benennung des Krankheitsbildes angezweifelt werden.
Ich möchte auf einen weiteren Gesichtspunkt hinwiesen:
Das Ergebnis einer kinesiologischen Testung wird häufig als die Antwort auf die Frage nach der eigentlichen Läsion angesehen. Auf einen Schmerz in der rechten Schulter erhalte ich zum Beispiel die Testantwort: „Struktur“ – m. pectoralis rechts – AORT. Dann nehme ich an, dass die Verspannung des rechten m. pectoralis die Ursache des Schulterschmerzes war. Das Testergebnis kann auch heißen: „Info“ – Ohrakupunktur – rechtes Ohr – Punkte der vegetativen Rinne in Höhe der oberen HWS. Dann gebe ich eine Nadel und nehme an, dass eine Informationsverarbeitungsstörung Ursache des Schulterschmerzes war. Die Testantwort kann aber auch heißen: „Subtilkörper“ – Loch in der Aura – über der linken Hüfte. Daraufhin werde ich den Behandlungsauftrag ausführen. Ich kann aber den Zusammenhang von Symptom und Behandlungsauftrag zunächst nicht verstehen. Eine andere Erklärung scheint angebracht:
Der Behandlungsauftrag des Patienten erfolgt ja absolut unbewusst. Das Unterbewusstsein des Patienten weiß aber wohl genau, über welchen Zugang der Therapeut dem System des Patienten optimal helfen kann. So kann das Unterbewusstsein des Patienten auch bei verschiedenen Behandlern unterschiedliche Qualifikationen aufdecken. Daraus wird verständlich, dass derselbe Patient von verschiedenen Behandlern auf unterschiedliche Weise optimal behandelt werden kann.
Die unterschiedlichen Testantworten lassen auch vermuten, dass es sich bei der MS nicht um ein einheitliches Krankheitsbild handelt. Diese Feststellung ist umso relevanter, als daraus eben auch keine einheitliche Behandlungsstrategie abgeleitet werden kann. Die Behandlung auf der Ebene des Immunsystems anzusetzen, heißt lediglich, einen scheinbaren Aspekt einer gemeinsamen Endstrecke des Krankheitsgeschehens zu berücksichtigen. Dabei werden aber die mannigfaltigen Störungsmuster in der Vorgeschichte der Immunstörung übersehen.
Eine vergleichbare Einseitigkeit liegt dem psychologischen Zugang zugrunde, wenn die Störungsmuster der Patienten nur als psychosomatisch bedingt gedeutet werden. Leider verfolgen viele psychologische Schulen unserer Zeit eine der somatischen Medizin vergleichbare mechanistische Sichtweise, die dem Untersucher vielleicht eine theoretische Erklärung der Störungen des Patienten liefert, dem Patienten selbst aber in keiner Weise gerecht wird.
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Ich möchte zwei neue Möglichkeiten der psychologischen Krankheitsbewältigung vorstellen:
Daniel Hell, der Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, stellt in seinem Buch ‚Die Sprache der Seele verstehen, die Wüstenväter als Therapeuten’ die Einsichten der Wüstenmönche des 4.-6. Jahrhunderts nach Christi dar. Diese Einsichten sind gewonnen aus einem asketischen und harten Einsiedlerleben in den Wüstengebieten des Nahen Ostens. Die Mönche entwickelten eine besondere Haltung im Umgang mit Ratsuchenden, die für uns als Therapeuten vorbildlich sein kann. Daniel Hell stieß im Rahmen der Auseinandersetzung mit depressiven Störungen auf der Suche nach Vorläufern moderner Konzepte zur Depression auf die sog. Akedia. Als Akedia wurde ein Seelenzustand bezeichnet, der mit Verdruss, Mattigkeit oder Widerwillen übersetzt, das bezeichnet, was wir heute Depression nennen. Die Wüstenmönche entwickelten aus dem eigenen Erleben heraus eine Möglichkeit, mit dieser Depression umzugehen, und erkannten in ihr eine der größten Herausforderungen, die ein Mensch zu bestehen hat.
Es ist durchaus hilfreich und spannend, die Anleitungen zur Überwindung der Akedia auf andere Störungen und Beschwerden zu übertragen.
Der erste Rat zur Überwindung der Akedia lautet: „Annehmen und Ausharren“. Daniel Hell zitiert Evagrius Ponticus, den Wüstenmönch, dem wir viele Aufzeichnungen verdanken, dass der erste, aber auch schwierigste Schritt, um mit dem Überdruss fertig zu werden, das schiere Durchhalten sei. Durchhalten aber setze Akzeptanz und Mut voraus. Akzeptanz des Leidens und Mut zum Bestehen der Herausforderung. Zitat:“...nimm einfach an, was die Versuchung über dich bringt. Vor allem sieh dieser Versuchung der akedia ins Auge, denn sie ist die schlimmste von allen, sie hat aber auch die größte Reinigung der Seele zur Folge. Vor solchen Konflikten zu fliehen oder sie zu scheuen, macht den Geist ungeschickt, feige und furchtsam.“
Von C.G. Jung soll der Ausspruch stammen: “Wenn die Dame in Schwarz (gemeint ist die Depression) auftritt, weise sie nicht ab, sondern bitte sie zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat.“ Das hieße auch, nicht vor sich selbst davonzulaufen; denn irgendwann müsse jeder dem eigenen Tiefpunkt begegnen.
Dieser Rat zur Bewältigung der Akedia ließe sich wohl auf alle Beschwerden und Krankheitszustände übertragen.
Übertragen auf die MS könnte das heißen, dass es ratsam sei, der Krankheit ins Auge zu schauen, sich ihr zu stellen, sie zunächst zu akzeptieren und den Mut aufzubringen, sie anzunehmen. Alle Fragen, die mir in diesem Zusammenhang kommen, sind wichtig und richtig und können mit Hilfe des Durchhaltens zu Antworten führen, die in vergleichbarer Weise eine Persönlichkeitsentwicklung zur Folge haben. Die Beschwerden und Störungen bekommen dadurch eine Bedeutung, die mich zur Korrektur meiner Lebenseinstellungen veranlassen können.
Der zweite Rat der Wüstenväter im Umgang mit der Akedia lautet: „Anders denken!“ Evagrius Ponticus empfiehlt, den überdrüssigen Gedanken ein anderes Denken entgegenzusetzen. Da im Verdruss die Gedanken notwendigerweise negativ getönt seien und die eigenen Möglichkeiten abgewertet würden, sei es manchmal eine Hilfe, den eigenen dunklen Gedanken Überlegungen entgegenzusetzen, die von Menschen stammten, welche die Not überstanden hätten. Evagrius habe die antirrhetische Methode entwickelt und habe zu diesem Zweck aus biblischen Schriften siebenundfünfzig Bibelworte zusammengetragen. Aaron Beck entwickelte in den letzten Jahrzehnten die sogenannte „kognitive Psychotherapie“ und gab die Anleitung, automatisch auftretende negativ getönte Gedanken mit eigenen alternativen Antworten zu hinterfragen. Auch Evagrius Ponticus habe schon vorgeschlagen, dass ein in Überdruss befallener Mensch einen inneren Dialog führen sollte: „Wenn die Akedia uns versucht, dann ist es gut, unter Tränen unsere Seele gleichsam in zwei Teile zu teilen: in einen Teil, der Mut spricht, und einen Teil, dem Mut gemacht wird.“
Für die Auseinandersetzung mit der Erkrankung der Multiplen Sklerose kann es hilfreich sein, in dieser Phase der Erkrankung dem Patienten hervorzuheben, welche Fähigkeiten ihm vorliegen, welche Möglichkeiten zur Überwindung der Krankheitszeichen sich ihm anbieten und über welche Stärken er verfügt.
Dabei mag es hilfreich sein, die Worte ‚nicht’, ‚kein’ und ‚aber’ aus dem Vokabular zu streichen und eine positive Ausdrucksform zu finden.
Der dritte Rat der Wüstenmönche zur Überwindung der Depression lautet: „Traurig sein und weinen“ . Das mag in Bezug auf die Depression zunächst verwundern, doch wir kennen die reinigende und lösende Wirkung von Tränen. Die Wüstenmönche hätte das Weinen mit dem befruchtenden Regen verglichen. Tränen weichen die Verkrustung auf, die einen Menschen im Überdruss eingeengt hat.
Denken wir an die anthroposophische Einschätzung der Multiplen Sklerose als Sklerosekrankheit und den Hinweis von Volker Fintelmann auf die „Kältung“ durch eine übermäßige geistige Bewertung der Krankheitszeichen, lernen wir den Rat zu Tränen schätzen. Sie führt dann nicht nur zur emotionalen Auseinandersetzung mit der Krankheit sondern hat einen direkten heilenden Einfluss auf möglicherweise vorliegende Krankheitsursachen.
Der vierte Rat lautet: „Einen geregelten Lebensrhythmus finden“. Evagrius rät zu einem möglichst geregelten Leben, um der akedia zuvorzukommen oder sie möglichst einzugrenzen.
Sicher ist auch diese Einsicht auf jegliche Erkrankung, vielleicht auch als normale Lebensphilosophie zu übertragen, Patienten, die an Multipler Sklerose leiden, können besonders davon profitieren, die gesamte private und berufliche Lebenssituation zu überdenken. Bei jedem Tun ist es erforderlich, zu entscheiden, ob es in der Weise sinnvoll ist, wie sie es bisher ausgeführt haben, ob die gesteckten Ziele zu erfüllen sind. Oftmals finden wir, dass MS –Patienten darunter leiden, dass die Lähmung ihrer Arme oder Beine eine gewünschte Fortbewegung unmöglich machen. Doch scheint es einer Energieverschwendung gleichzukommen, wenn Unmögliches Erzwungen wird, statt den Lebensrhythmus dem Lebensfluss anzupassen. Wenn die Frage nach der passenden beruflichen Tätigkeit oder nach der jeweiligen privaten Beziehung gestellt wird, erkennen wir, dass nicht das ‚Was arbeite ich?’ oder ‚Mit wem lebe ich zusammen?’ relevant ist, sondern welche Bedeutung hat der jeweilige Beruf, die jeweilige Beziehung für mich und mein Leben. D.h., die Frage ist leichter zu beantworten: „Wie kann ich mich in diesem Beruf, in dieser Beziehung entwickeln, damit keine weiteren MS –Symptome auftreten müssen, mich auf meinem Lebensweg zu korrigieren.
Der fünfte Rat betrifft das Wissen um den Tod. Diese Einsicht verändert das ganze Leben. Evagrius empfehle den Gedanken an den Tod als fünftes Heilmittel, schreibt Daniel Hell. Es sei in unserer Zeit, die Sterben und Tod möglichst aus dem Alltagsleben ausklammere, eher ungewohnt, den Gedanken an den Tod als etwas vorzustellen, was dem Leben diene. Noch ungewöhnlicher sei der Rat, zur Überwindung der depressivem Leere an den eigenen Tod zu denken. Es gehe den Wüstenmönchen allerdings nicht um eine Todessehnsucht, auch nicht darum, sich das Leben nach dem Tode vorzustellen, es gehe um das Hineinnehmen des Todes in das Leben hier und jetzt. Es gehe um die Bewusstwerdung des eigenen Todes als Notwendigkeit, das Leben zu gestalten.
Aus dieser Sicht mag es nicht nur möglich werden, dass ein MS –Patient seine depressiv getönten Phasen hinsichtlich seiner Erkrankung zu überwinden, sondern vermag lernen, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Er vermag sich um das zu bemühen, was er wirklich liebt, und eine neue Wertigkeit seiner Realität erhalten.
Im Befolgen dieser fünf Heilmittel vermag der MS –Patient nicht nur einen Sinn in seiner Erkrankung zu erkennen, sondern diese auch zu überwinden mit einem neuen Bewußtsein.
Ein ergänzender Weg ist in der schamanischen Behandlungsweise zu sehen.
Was unterscheidet den Psychologen vom Schamanen?
Beispiel: Sie sitzen mit einem Psychologen zusammen. Plötzlich klopft es an der Tür. Der Psychologe fragt Sie, ob Sie jemanden erwarten; oder ob sie vermuten, wer das sein könnte. Bei diesen Überlegungen vergeht die Zeit und das Klopfen wird wiederholt – deutlicher – und der Psychologe überlegt mit Ihnen weiter, was das Klopfen bedeuten könne. Das Klopfen wird lauter und die aggressive Tönung ist nicht mehr zu überhören, ja es macht Angst vor dem, was passieren könnte... Sie sind mit dem Psychologen überzeugt, dass Ihnen das Schlimmste bevorstehen werde...
Sie sitzen mit einem Schamanen zusammen. Plötzlich klopft es an der Tür. Der Schamane steht auf und schaut nach, wer klopft, und fragt nach dessen Begehren!
Die Vorgehensweise des Schamanen ist bezogen auf das Hier - und – Jetzt. Es fragt, was ist jetzt nicht in Ordnung, was bedarf jetzt der Korrektur.
Wir erinnern uns an Eduard Bach, der zur Anwendung seiner Blütentherapie aufforderte: „Ich habe Angst“, also nehme ich Mimulus, die Blüte der Tapferkeit. Oder „Ich habe alle Hoffnung verloren“, also nehme ich Gorse, die Blüte, die zu neuer Hoffnung hilft. Die Bach – Blütentherapie wird häufig von MS – Patienten als positiv getestet.
Die psychologische Deutung von Krankheitszeichen der MS – Patientin können anfangs dem Betroffenen eine Hilfe darstellen, der Anregungen benötigt, auf eine neue Art über sich nachzudenken. Sie darf aber nicht in dem Stadium verharren, nur dem Therapeuten eine Klärung zu geben, auch erscheinen mir einige Deutung zu platt: Wenn die Blaseninkontinenz gesehen wird als ein „Zu - wenig - Tränen - vergossen“. Das Deutungsangebot ist nur in dem Fall sinnvoll, wenn dem Betroffenen daraus eine Erweiterung seiner Wahrnehmung für sich und seine Lebenssituation erwachsen kann und eine Korrektur angeregt wird. Dieses Angebot hat immer die aktuelle Belastbarkeit und den Respekt vor dem kranken Menschen zu berücksichtigen.
Dann mag es hilfreich sein, einem MS – Patienten mit Sehstörungen auf die Möglichkeit hinzuführen, dass ein Blick nach innen viele Einsichten ermöglichen kann. Störungen der Empfindung in einer Körperregion können die Wahrnehmung für ein ungestörtes Empfinden in anderen Körperregionen wecken, die ausgebildete Spastik ermöglicht einen neuen Halt, eine Blasenstörungen kann Anlass geben, eine bisher unreflektiert eingenommene Haltung zu korrigieren, sich im Einsatz für andere zu verströmen. Dabei ist die individuelle Bedeutung für den Patienten hilfreicher als Lexika mit Übersetzungen von Krankheitszeichen.
Die physioenergetische Testung entspricht eher der schamanischen Vorgehensweise, wenn wir fragen, was ist nicht in Ordnung, wo ist eine Schwäche, eine Empfindungsstörung, ein Schmerz. Wir bleiben mit dem Test im Hier - und – Jetzt und erwarten vom Unbewussten des Patienten eine Antwort auf unsere Frage, in welcher Weise in dem Moment des Testens zu behandeln sei. Wir räumen quasi in der Gegenwart des Patienten das Hindernis aus seinem Lebensfluss, damit seine Regulation wieder greifen kann.
Dazu wünschen wir uns vom Patienten eine Bereitschaft, sich den Fragen zu stellen, die für eine effektive Entwicklung notwendig sind. Diese Bereitschaft kann nicht von Anfang an vorhanden sein. Zu Beginn herrschen Betroffenheit, Angst, Unsicherheit. Im Laufe der therapeutischen Arbeit kann aber das Vertrauen wachsen, sich der Herausforderung der Erkrankung zu stellen. Die konsequente Begleitung durch den Therapeuten ist dabei unerlässlich. Sein offenes Wahrnehmungsfeld vermag den Patienten zu seiner Entwicklung zu verhelfen.
Eine besondere Bedeutung kommt der Craniosacraltherpie zu.
Die Craniosakraltherapie bezieht sich speziell auf William G. Sutherland (1873-1954), einem Schüler von Andrew T. Still (1828-1917), der in den Vereinigten Staaten die osteopathische Medizin begründete.
Die Prinzipien der Osteopathie formulierte er:
Die craniosakrale Osteopathie nach John Upleger wurde in den letzten Jahren bekannt. Die Schädelosteopathie selbst oder auch Craniale Osteopathie ist eine wichtige Ergänzung zur osteopathischen Medizin und wurde von dem osteopathischen Arzt William G. Sutherland entwickelt.
Er beobachtete, wie sich der Schädel unter den Helmen bewegt und verschiebt und weiterhin, was im Körper und in der Psyche geschieht, wenn er bestimmte Schädelknochen oder das Kreuzbein durch Bandagen oder Helme an der Bewegung hinderte.
Zusammengefasst machte er vier Beobachtungen:
Durch die Beobachtung dieser subtilen Bewegungen bestätigte er das Konzept seines Lehrers: Für ein gutes Funktionieren des Nervensystems ist ein optimales bzw. harmonisches Zusammenspiel von Struktur und Funktion notwendig. Eine osteopathische Behandlung geschieht durch manuelle Mobilisierung und deren Begleitung durch das Bewusstsein.
Becker, ein direkter Schüler von W. G. Sutherland, hat die Grundlagen der Cranialen Osteopathie in fünf Thesen (7) zusammengefasst:
Mit diesen fünf Thesen werden die wichtigsten anatomischen Strukturen, die Beweglichkeit dieser Strukturen und die Richtung der Bewegungsübertragung - d. h. vom Hirnwasser auf die Hirnhäute, von den Hirnhäuten auf die knöchernen Strukturen - beschrieben.
Der Kinderarzt Rudolf Merkel, Zürich, gab der cranialen Osteopathie unter anderem eine eigene besondere Prägung, indem er den biomechanischen mit dem biodynamischen Ansatz verbindet. Dabei bilden der strukturelle Aspekt mit den anatomischen Grundlagen, der rhythmische Aspekt mit den craniosacralen Bewegungen und der psychosomatische Wirkmechanismus eine praktische Einheit.
Vor diesem Hintergrund entwickelte ich mit meinen MS –Patienten das Konzept der neuroviszeralen Osteopathie.
Durch die craniosakraltherapeutische Arbeit mit MS – Patienten machte ich die unterschiedlichsten Beobachtungen und Erfahrungen, wenn ich mit meiner Aufmerksamkeit Nervenstrukturen unter der begleitenden Kontrolle des Craniosakral – Rhythmus beobachtete.
Es ist für den Craniotherapeuten erforderlich, sich auf die jeweiligen Strukturen, die er untersuchen und behandeln will, einzustellen. Praktisch ist es vorteilhaft, den Kontakt zum Patienten über die Hände des Therapeuten so gut es geht zu entlasten. Je feiner die Berührung, desto tiefer ist das Eindringen in die Strukturen und Funktionen des Nervensystems des Patienten möglich, desto leichter entstehen Bilder und Empfindungen bei der entgegengebrachten Aufmerksamkeit.
Dabei kann es zum Beispiel gelingen, die unterschiedliche Konsistenz des Liquors zu spüren.
Es hat sich bei der Untersuchung von Patienten mit multipler Sklerose immer wieder gezeigt, dass in Bereichen von akuten Entzündungen die Viskosität des Liquors zuzunehmen scheint.
Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass die entgegengebrachte Aufmerksamkeit in bestimmten Bereichen des Nervensystems vom Gewebe des Patienten festgehalten zu werden scheint oder sich der Fluss der Aufmerksamkeit verzögert.
Auch in Bereichen, in denen aufgrund früher durchgemachter Entzündungen Narben zu vermuten sind, lässt sich dieses Phänomen beobachten.
Bei der Patientin, bei der mir eine scheinbare Änderung der Liquorkonsistenz erstmalig auf-fiel, ergab sich bei der aufmerksamen Betrachtung des Wirbelkanals eine Besonderheit: Meine vom Kontakt der Beine ausgehende, nach kranialwärts gerichtete Aufmerksamkeit schien auf der linken Seite im mittleren Thoraxbereich abgebremst zu werden, während sie sich auf der rechten Seite ungestört kranialwärts ausbreitete. Als ich der Patientin nach Abschluss der Behandlung meine Beobachtung mitteilte, gab sie an, dass sie in dem genannten Bereich ein Wärmegefühl verspürt habe, und daß vor Jahren in diesem Bereich die ersten Ausfälle ihrer Erkrankung aufgetreten seien.
Bei dieser Untersuchung machte ich eine weitere Entdeckung: Wenn ich, kranialwärts beob-achtend, zu dem Bereich der scheinbaren Viskositätsänderung des Liquor gelangte, hielt der Cranio-Rhythmus der Patientin an. Er setzte sofort wieder ein, als ich meine Aufmerksamkeit leicht zurückzog auf vorliegende Strukturen, und hielt erneut an, als ich mit meiner Aufmerk-samkeit wieder in den besagten Bereich gelangte. Damit hatte ich für mich ausgeschlossen, dass es sich bei dieser Reaktion um das zufällig gleichzeitige Auftreten des Still-Points ge-handelt haben konnte. Später fand ich in der Zusammenstellung von Rudolf Merkel (Sept.1999), daß Sutherland in ‚Die Reise der Elritze’ den „Fulcrum Punkt, den Ruhepunkt in der Fluktuation des CSF“ mit einem „Schockzustand“ in Zusammenhang bringt.
Meine Erfahrung in der Arbeit hat sich zwischenzeitlich wiederholt bestätigt, dass beim Er-reichen einer Läsion im Nervensystem durch freie Aufmerksamkeit der Cranio-Rhythmus aussetzt. So als ob sich der Körper in einem Schockzustand befindet, wenn er an die Läsion erinnert wird. John E. Upleger unterscheidet einen „Stopp“ von einem Still point: „Es ist mehr ein schreiender Halt. Dieser Stopp kommt, wenn zum Beispiel der Klient eine Körperposition einnimmt oder in eine Position gebracht wird, die mit einem traumatischen Erlebnis gekoppelt ist. Upleger nennt diesen Stopp „significant detector“.
Das Anhalten des CR bei der Visualisierung einer Läsion im Nervensystem hat für mich mehr zu tun mit einem Luftanhalten im Zustand eines Schockes, mit gespannter Ruhe, mit Erinne-rung an ein traumatisierendes Erlebnis, eben eines Entzündungsvorganges – oder eine Reak-
tion auf ein schädigendes Agens, das dann mit Entzündung des Nervengewebes beantwortet wurde oder wird.
Gelingt es nun, in diesem Bereich der Störung bei möglichst exakter Kenntnis der struktu-rellen und funktionellen Gegebenheiten die Qualität der Aufmerksamkeit dahingehend zu verändern, dass der Cranio-Therapeut seine Vorstellungen von gesunden Strukturen und Funktionen dieses lädierten Bezirkes visualisiert, so kann er einerseits nach einem gewissen notwendigen und scheinbar erforderlichen Zeitraum das Wiedereinsetzen des Cranio-Rhyth-mus beobachten und andererseits vom Patienten erfahren, dass sich seine Symptome und Beschwerden gebessert haben. Diese lassen sich mit dem visualisierten Ort der Läsion in Einklang bringen. Auch sind wohl umgekehrt Rückschlüsse möglich von dem Behandlungs-ergebnis auf den Ort der Läsion.
Die Regulation des dreiteiligen autonomen Nervensystems nach PORGES scheint zusätzlich sehr hilfreich zu sein.
Die Erklärung dieser Phänomene ist offen. Sie sind möglicherweise zu vergleichen mit der Wirkung der Hochpotenz-Homöopathie, bei der gleichfalls der Gedanke der Arznei wirksam wird. Warnke hat auf die physikalisch nachweisbare Wirkung von Gedanken auf die Bildung von Struktur hingewiesen. Oder es hat einfach etwas mit Heilung zu tun.
Um einem Patienten eine gute Begleitung können, ist es erforderlich, exakte Kenntnis von den strukturellen und funktionellen Zusammenhängen im Nervensystem zu haben.
Diese Kenntnis soll einen Halt geben, quasi als Schiene für die freie Aufmerksamkeit des Therapeuten, der sich trotz aller Strukturen offen halten sollte, die Informationen des Patien-ten ohne Bewertung entgegen zu nehmen. Das heißt, je besser mein Wissen und meine Erfahrung ist, desto eher kann ich die Vorgänge bei meinem Patienten individuell begleiten.
Mit der craniosakralen Behandlung begleite ich meine Patienten direkt und unmittelbar. Sie gibt mir keine andere Möglichkeit, als authentisch und offen zu sein. Sie gewährt mir einen Eindruck von den Möglichkeiten der Selbstheilungskräfte meiner Patienten. Dabei kann die Erfahrung von Heilung an einem Ort des Patienten für sein gesamtes System bedeutsam sein.
St. Porges, der Begründer des ‚Dreiteiligen autonomen Nervensystems’, der mit früh traumatisierten Kindern, sog. Risiko – Kindern arbeitet, stellte die Hypothese auf, dass die therapeutische Arbeit an einem Teil eine Regulation des gesamten Systems ermöglichen müsse. Diese Annahme finde ich bei meiner Arbeit immer wieder bestätigt.
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Zum Abschluss meines Überblickes über eine naturheilkundliche Behandlung der Patienten, die an Multipler Sklerose leiden, möchte ich den Untertitel der Arbeit von Volker Fintelmann über Multiple Sklerose (2002) aufgreifen: „Einzelschicksal oder Zeitenschicksal“.
Für MS – Patienten bedeutet die Konfrontation mit der Diagnose immer eine tiefe Verunsicherung.
Sie können auf verschiedene Weisen darauf reagieren: Für die einen ist die Multiple Sklerose eine Krankheit, die - wie jede andere - mit einem Medikament behandelt wird, bis sie weg ist. Und da MS – Patienten häufig gerade schon konstitutionell leicht zu verunsichern sind, besteht leicht die Gefahr, dass sie alles annehmen, was ihnen angeboten wird, zumal wenn es intellektuell verführerisch verpackt wird. Und wenn wir an das Arzneimittelbild von Mercurius denken, unterstützt das Quecksilber, das uns spätestens seit der Sublimat – Behandlung der Syphilis begleitet, diese Haltung: Wir brauchen äußere Strukturen, die uns Halt geben, weil unsere Individualisierung noch nicht stattgefunden hat.
Die überwiegend intellektuelle Sichtweise dieser MS – Patienten macht sie empfänglich für intellektuelle Erklärungen. Dem homöopathischen Grundsatz (similia similibus curentur) folgend treffen sie meist auf Therapeuten, die in gleicher Weise von ihrer Arbeit überzeugt sind.
Andere suchen aus der Verunsicherung einen Weg, der dazu führt, dass sich ihr Bewusstsein erweitert. Sie gehören zu den Menschen, die nicht nur nach dem Warum? fragen, sondern die auch den Sinn, und zwar den tieferen Sinn, begreifen wollen. Dies ist sicher zunächst der schwierigere Weg, der als ersten Schritt den Mut zur Akzeptanz fordert, um die Tatsache anzunehmen, aus dem bisher gewohnten Lebensstrom aufzuwachen. Dazu gehört eine Besinnung der eigenen Herkunft, der Familienkonstellation und die Frage nach der Bestimmung in diesem Leben. Hilfreich ist immer wieder die Anleitung zu einem „neuen Denken“: Ich habe MS, nicht: die MS bin ich. (Prof. Luban-Plozza, den ich bei Erich Fromm in Ascona kennenlernte, freute sich über die Studenten, weil sie noch lange frech denken können, und nicht schon bald ans Geldverdienen denken müssen). Diese Patienten entwickeln unter Tränen einen neuen Lebensplan und gelangen in der Konfrontation mit dem Bewußtsein des Todes zu einer neuen Dimension des Lebens.
Neben der Bereitschaft der Patienten, ihren individuellen Lebensauftrag zu verwirklichen, bedarf es eine therapeutische Haltung, die bereit ist, diesen Prozess der Patienten zu begleiten.
Das Problem, dass bei den meisten Krankheiten die eigentliche Ursache nicht bekannt ist, könnte gerade bei der Multiplen Sklerose den Sinn haben, auf das multifaktorielle Geschehen hinzuweisen, wie es ja schon im Namen deutlich wird: Die Ursache ist unklar, die Symptomatik ist vielgestaltig, der Verlauf ist in keiner Weise vorhersehbar.
Vielleicht können wir auf die Suche nach der eigentlichen Ursache sogar verzichten. Es hat sich gezeigt, daß ein kranker Mensch von verschiedenen Seiten aus erfolgreich behandelt werden kann. Ich kann einen adipösen Patienten diätetisch beraten und seine depressive Stimmung hellt sich auf, ich kann seine Psyche behandeln und seine Ernährungsgewohnheiten ändern sich. Ich kann mit ihm spazieren gehen. Ich kann mit ihm beten. Auf welcher Ebene ich den Patienten erreiche, ist nur abhängig von seiner Möglichkeit, sich für den Entwicklungsprozess zu öffnen, und von meiner Bereitschaft, ihn offen zu begleiten. Das kann auf der strukturellen, der chemischen, der psychischen oder einer anderen der genannten oder einer ganz anderen Ebene erfolgen.
Die Mannigfaltigkeit des therapeutischen Zugangs ist mir besonders bei MS – Patienten begegnet.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Ich schließe meine Praxis zum
22.12.2023
Dank an alle Patienten, die mir über die Jahre ihr Vertrauen schenkten, und beste Wünsche an die weitere Entwicklung ihres Bewusstseins.
Verehrte Patienten, wenn Sie sich für einen Praxisbesuch bei uns entschieden haben, schreiben Sie mir bitte eine kurze Mail unter harald@faltz.com. Ich werde mich so schnell wie möglich mit Ihnen in Verbindung setzen. Danke!
Bitte beachten Sie:
Zum 1.10.2013 habe ich die Zulassung als Kassenarzt zurückgegeben, praktiziere aber privatärztlich weiter.